Pangea Ultima

Imaginäre Grenzen

Dieses Album soll ein musikalischer Beitrag zur Schönheit der menschlichen und kulturellen Vielfalt sein. Es soll Ausdruck einer Generation sein, für die Gleichberechtigung der Rassen und Geschlechter selbstverständlich und indiskutabel ist und keine Diskussionsgrundlage. Es soll ermuntern, die Diversität dieser Welt zu feiern, anstatt sich vor ihr zu fürchten. Es soll dazu beitragen, uns von unseren imaginären Grenzen zu lösen und das wirklich Menschliche im Menschen zu emanzipieren.

Für mich bedeutet das Album auch einen Abschied von der Welt, wie wir sie kannten. Die Welt polarisiert sich immer mehr und die Angst vor Andersartigkeit wächst. Ich glaube, diese Angst entspringt unserem Bedürfnis, die komplexe Realität zu vereinfachen. Wir wollen einfache Antworten auf komplexe Fragen und greifen deshalb auf Schubladendenken zurück. Wir definieren uns als schwarz oder weiß, Landsmann oder Ausländer, Kunde oder Verkäufer, Lehrer oder Schüler, weiblich oder männlich, Homo oder Hetero, Jazzmusiker oder klassischer Musiker, Querdenker oder systemtreu, systemrelevant oder irrelevant. Aber eigentlich sind wir alle nicht nur das eine oder das andere, sondern immer irgendwie auch etwas dazwischen. Mit der fortschreitenden Entwicklung der digitalen Welt, die nur Einsen und Nullen kennt, besteht die Gefahr, dass wir uns zunehmend von der realen, „analogen“ Welt entfremden. Und dabei verlieren wir die Fähigkeit, Ambiguität zu tolerieren.

Den Tod enttabuisieren
Ich habe den Titel CAMINO A MICTLAN – Weg in die Unterwelt – gewählt, da er die natürliche Dualität von Leben und Nicht-Leben impliziert. Er erschien mir als Symbol für unsere jetzige Zeit passend.
In Mexiko gilt der Tod als fester und sehr präsenter Teil des Lebens. Dies macht auch die häufig dargestellte Skelett-Figur «La Catrina» deutlich. Der «Día de muertos» hat in den letzten Jahren zunehmend auch außerhalb Mexikos große Popularität erfahren. Er ist aber keineswegs Ausdruck einer fatalistischen Weltsicht; das Gegenteil ist der Fall: Die unbekümmert farbenfrohe und fröhliche Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit, dem Dualismus von Tod und Leben, ist für die Mexikaner Ansporn, umso intensiver und erfüllter zu leben. Und ich wünsche mir, dass diese Enttabuisierung auch dazu anregt, bewusster zu leben. Denn nur solange wir leben, haben wir die Möglichkeit, das Richtige zu tun. Nämlich das, was unsere Seele mit tiefem Glück erfüllt, bevor wir auf die andere Seite übergehen.

Kultur und Nachhaltigkeit
Nicht nur unser Leben als Individuum ist endlich. Wir sind gerade dabei, uns auch als ganze Spezies verschwinden zu lassen, indem wir die Grenzen der Belastbarkeit unseres Planeten überschreiten. Ungeachtet der Folgen produzieren und konsumieren wir weiterhin, ohne uns des gesamten sozialen und ökologischen Kreislaufs bewusst zu sein, in welchem jeder von uns eine zentrale Rolle spielt. Um ein Album zu produzieren, setzen auch wir Musiker einen solchen Kreislauf in Gang. Wir bringen die Musik von unseren Herzen auf Papier, in den Proberaum, ins Tonstudio, in Zusammenarbeit mit vielen helfenden Händen in die Welt und von der Welt zurück in unsere Herzen.
Es geht hierbei nicht einfach um ein Produkt, welches möglichst viel Geld generieren soll. Es geht um etwas viel Wichtigeres, das man mit Geld gar nicht kaufen kann. Es geht um die Freude des Miteinanders und die Freude des Teilens. Es geht um die schönste Freude: die Freude zu geben.
Durch meine Arbeit als Musiker werde ich mir immer bewusster, dass alles in der Welt musikalisch sein kann. Und ich glaube, dass viele Menschen, die musikalisch sind, aktiv oder passiv, dadurch glücklichere, besonnenere, bewusstere Menschen sind.
Ich bin überzeugt, dass wir Musiker mit unserer Arbeit dazu beitragen, aus dieser Welt eine bessere zu machen. Und ihr könnt daran teilhaben. Manchmal reicht einfach nur zuhören.

José

José Díaz de León – composer, guitar, voc
Natasha Young – voc
Christian Fehre – congas
Roland Peil – percussion
Daniel Manrique Smith – flute
Waskhar Schneider – didgeridoo
Hindol Deb – sitar
Diego Pinera – drums
Julian Bossert – reeds
Joscho Stephan – ac. guitar
Norman Peplow – piano
Roman Fuchß – bass

recorded january 2020 by Clemens Orth @ Salon De Jazz, Cologne
mixed by Christan Fehre and mastered by Frank Brempel

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